Alles Helden oder was? Teil 1

Tag 59 des „Lockdowns“ und Tag 13 der Idioten

Das Schlagwort „Helden des Alltags“ geistert seit geraumer Zeit durch Politik und Presse. Der aufmerksame Zuhörer assoziiert damit mittlerweile die Müllabfuhr, Supermarktkassierer und Pflegekräfte. Diese „Helden“ werden so hochstilisiert, dass man ganz automatisch denkt, „das wird schon so richtig sein“.

Diese erstaunliche Aufwertung, vor allem in der Politik, ist mir Anlass genug, mal da einen genaueren und differenzierten Blick drauf zu werfen.
Ich stell daher die kritische Frage: Ist das wirklich alles so richtig? Wirklich Helden? Geht es tatsächlich um „Helden“?

Einschub —————-
Was ist ein Held eigentlich? Einer der muskelbepackt PS strotzende Autos zu Bruch fährt? Trifft es vermutlich nicht so ganz.
Ich denke, ein Held ist ein Mensch, der angesichts einer Krisensituation die Verantwortung für andere übernimmt und trotz einer Gefahr für sich selbst nach vorne geht. Das muss nicht groß und bombastisch sein, meist ist es eher klein und unscheinbar. Ein Held verweigert sich nicht, obwohl er es in diesem besonderen Augenblick könnte. Und: Er macht niemals Aufhebens darum; sonst ist es nämlich nur noch eigennützige Angeberei und kein Heldentum.
Einschub Ende —————-

Alle drei der oben genannten Berufe genossen bisher (vor Corona!) kein sonderlich hohes Ansehen. Es scheint sie zu einen, dass keiner ihre Arbeit machen will und sie schlecht bezahlt sind. All diese Menschen haben außerdem in der Krise noch einen Job, bzw. sind nicht in Kurzarbeit.

Hier enden jedoch die Gemeinsamkeiten; abgesehen davon, dass jetzt alle Helden sind.

Ich trenne sie daher für die Betrachtung in zwei Gruppen. Einerseits Müllabfuhr und Kassier, andererseits die Pflege. Wir vergessen nicht, dass es nur um die Frage geht „sind das Helden“….

Müllabfuhr, Kassenkräfte

Ohne diesen Menschen nahe treten zu wollen, darf gesagt werden: ihre Arbeit ist einfach. Doch ihre Arbeit ist auch wichtig! Das fällt der breiten Masse nur erst dann auf, wenn es mal nicht klappt, wenn der Müll liegenbleibt, wenn im Discounter die Schlangen an den Kassen immer länger werden. Diese Menschen verdienen ganz sicher mehr Wertschätzung als sie bisher erfahren haben.

Aber Helden? Gefahr für sich selbst? Verantwortung (in diesem besonderen Sinne) für andere? Nein. Das sind für mich leider keine Helden. Vermutlich sind viele froh, dass sie ihrer Arbeit ohne Einschränkungen weiter nachgehen können, mit Kurzarbeit wäre es noch schwieriger. Unterbezahlt, missachtet, zu oft in schwierigen Arbeitsverhältnissen; ganz bestimmt. Aber eben keine Helden.

Pflegekräfte

…jetzt wird es interessant! Da könnte man dem Heldentum schon näher kommen.

Leider macht sich die Politik, die gebraucht das Wort „Heldentum“ ja, gerade bei dieser Gruppe in  einem Maße unglaubwürdig, dass sie vor Scham im Boden versinken sollte. Die Stilisierung zum Helden soll hier ganz bestimmt vom eigentlichen Thema ablenken.

Bisher waren die Pflegekräfte eher „notwendiges Beiwerk“. Es gab zwar immer irgendwie zu wenige, aber den Beruf aufwerten kam nicht in Frage. Pflege war immer zu teuer, es wird per se Betrug unterstellt, Heime werden gewerbsmäßig nur für eigene Bereicherung zu Lasten der Allgemeinheit betrieben. Es gibt da sicher einige Fälle, die Regel ist das nicht. Die Politik überzieht den Pflegeberuf trotzdem mit immer komplexeren Auflagen, Dokumentations- und Nachweispflichten und vergisst dabei den Kern der Sache: Menschlichkeit. Das bleibt auf der Strecke.
Wenn man wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eines Autofahrers alle Verkehrsteilnehmer zwingen würde, jeden Kilometer Fahrstrecke umgehend zu dokumentieren, nachzuweisen, abzuheften und vorzulegen und sich dann wundert, warum der Verkehr nicht mehr fliest; das wäre vergleichbar mit der Sitution in der Pflege.
Die Menschen in Pflegeberufen haben trotz dieser Schikanen, trotz der schlechten Bezahlung, trotz der Missachtung in Teilen der Gesellschaft ihren Beruf weiter ergriffen, gelebt und mit Empathie geholfen.

Und jetzt auf einmal merkt die Politik, „shit… diese Laute brauch ich ja, ohne funktioniert das Ganze nicht.“ Mit einem Mal gibt es scheinbar Anerkennung, mit einem Mal werden Bonuszahlungen in Aussicht gestellt, sie werden als „Helden das Alltags“ bezeichnet. Für die bisherige Geringschätzung entschuldigt hat sich keiner der Verantwortlichen.

Ich halte das für einen Affront, für schamlose Verlogenheit.

Ich befürchte, dass sich auf Dauer hier nichts ändern wird. Die Politik wird sie wieder vergessen.

Den einen oder anderen Helden wird man da aber tatsächlich finden, zumindest ein paar…. aber bestimmt nicht, weil die Politik das jetzt vorbetet. Diese Helden gibt es schon länger.